Heteronormativität beschreibt die dominante soziale Norm, die die binäre Geschlechterordnung durch die Zuordnung anhand von körperlichen Aspekten als biologisch begründet ansieht. Die binäre Geschlechterordnung kennt nur zwei Geschlechter, männlich und weiblich und sieht Heterosexualität, die sexuelle Anziehung zwischen diesen beiden Geschlechtern, als das Naturgegebene an. Heteronormativität definiert die Abwesenheit von Geschlechtern jenseits von cis Mann und cis Frau. Das Wort cis als Adjektiv beschreibt die Geschlechtsidenität, welche mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt.
Alle, die nicht der binären Geschlechterordnung entsprechen, wie zum Beispiel trans* oder inter* Personen, oder nicht heterosexuell liebende Menschen, werden als abweichend vom vermeintlichen Standard angesehen. Heteronormativität konstruiert so ein Machtverhältnis zwischen Geschlechtern und Sexualitäten. Abweichungen von der vermeintlichen Norm werden negativ aufgefasst und führen zu Ungleichbehandlungen. Das Abwerten von Menschen, deren Identität nicht in die von der Heteronormativität geschaffenen Schubladen über Geschlechterrollen, -verhältnis und Sexualität entsprechen, wird auch Heterosexismus genannt.
Heteronormativität konstruiert ebenfalls soziale Geschlechter. Die US-amerikanische Philosophin und Geschlechterforscherin Judith Butler hat Anfang der 1990er Jahre in ihrer Publikation „Das Unbehagen der Geschlechter“ (eine Erklärung auf Deutsch finden Sie hier) die Einschätzung formuliert, dass auch das biologische Geschlecht konstruiert ist. Sie meint damit, dass die Einordnung von Körpern in männlich und weiblich nur auf der Basis einer erdachten Kategorisierung und Zuweisung von Körpermerkmalen, die aber keine natürliche Legitimität haben. Das Konstrukt der Heteronormativität wird gestützt von der Annahme eines vermeintlich geschlechtlichen Biologismus. Dieser meint die Gleichsetzung von zum Beispiel Organen, Hormonen oder Chromosomen mit dem Geschlecht und stärkt somit die Zuordnung von Menschen anhand körperlicher Merkmale.
Diese Zuordnungen sollten überdacht werden, da Geschlechter und eben auch Geschlechtskörper in vielen Varianten existieren. Butlers Theorien werden in der Wissenschaft intensiv diskutiert und sind Bestandteil der Queer Studies.