Trans* Personen wehren sich gegen die falsche Ansprache
Trans* Personen erleben aufgrund ihrer Geschlechtsidentität oft vielschichtige Diskriminierungen, insbesondere, wenn sie cissexistischen, binären Geschlechternormen nicht entsprechen.
Lange Zeit bestand rechtlich keine Möglichkeit, sich im Personenstandsrecht anders als männlich oder weiblich registrieren zu lassen. Über eine Verfassungsbeschwerde (1 BvR2019/16) hatte eine Person, die nach der Geburt dem weiblichen Geschlecht zugeordnet worden war, geklagt. Sie hatte beantragt, die positive Eintragung der Geschlechtsangabe "inter/divers", hilfsweise "divers", in das Geburtenregister zu ermöglichen, da sie sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlte.
Das Bundesverfassungsgericht hatte mit Beschluss vom 10. Oktober 2017 geurteilt, dass Personen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, sich mit einer positiven Geschlechtsoption registrieren können müssen.
Mit dem "Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben" wurde die Möglichkeit geschaffen, bei der Geburt von Kindern, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht eindeutig zugeordnet werden können, auch die Geschlechtsangabe "divers" zu wählen.
Mit der Verabschiedung des Selbstbestimmungsgesetzes 2024 stehen nicht-binären bessere Möglichkeiten der Anpassung des Geschlechtseintrages zur Verfügung.
Diese gesetzlichen Neuerungen haben praktische Auswirkungen auf Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen. Daraus folgt, dass auch die Ansprache entsprechend dem sich selbst zugeordneten Geschlecht erfolgen sollte oder beispielsweise in Stellenausschreibungen oder Kund*innenkontakt nicht nur weibliche und männliche, sondern auch diverse Personen adressiert werden müssten.
Hiervon sind wir leider noch weit entfernt. Um die praktische Implementierung des Rechtes auf adäquate Ansprache und Registrierung von trans* Personen zu befördern, unterstützt das BUG Personen, die in diesem Kontext diskriminiert wurden.
Aktuelle Fälle
Das BUG arbeitet mit einer Anwältin und Aktivist*innen aus der Trans*Community zusammen an der Geltendmachung von Diskriminierungsfällen bei Online-Einkäufen. Hierzu wurden mehrere Klagen bei Gerichten und Beschwerden bei den jeweiligen Institutionen eingereicht.
Klagen
Klagen zielen darauf ab, die diskriminierende Kommunikation mit Kund*innen der Anbieter*innen von Waren im Internet zu unterbinden. Die Unternehmen wurden aufgefordert, den Kauf- und Bestellvorgang um die Möglichkeit der Angabe der dritten Option des Geschlechtereintrags und ein Feld das keine Angabe ermöglicht, zu erweitern.
In einer der Klagen wollte die betroffene nicht-binäre Person, die sich sowohl im sozialen Kontext, als auch im beruflichen und sonstigen Rechtsverkehr als Person ohne männliches oder weibliches Geschlecht empfindet, eine Fahrkarte von Berlin nach Braunschweig auf der Webseite der Deutschen Bahn buchen. Diese Kaufoption ermöglicht nur eine weibliche oder männliche Registrierung und verhindert es die Fahrkarte zu buchen, wenn man sich nicht einem der beiden Geschlechter zuordnet. Die betroffene Person legte daher Klage wegen Diskriminierung ein. Ein Rechtsstreit diesbezüglich gegen die Deutsche Bahn wurde am 24.09.2020 am Landgericht Frankfurt am Main verhandelt. Das LG Frankfurt am Main urteilte, dass die obligatorische Angabe von „Herr“ oder „Frau“ die klagende Person mit nicht-binärer Geschlechtsidentität in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, stellte jedoch keine Diskriminierung fest.
Hier finden Sie unsere Pressemitteilung zum Urteil des LG Frankfurt am Main. Wir haben außerdem einen Pressespiegel zum Urteil erstellt.
Die klagende Partei und das BUG stufen das Verhalten der Deutschen Bahn als eine Diskriminierung im Sinne des AGG ein und legten daher Berufung gegen das Urteil des LG Frankfurt am Main ein. Der Berufungstermin fand Ende Mai 2022 statt, hier können Sie unsere Pressemitteilung zur Berufungsverhandlung einsehen. Am 21.6.2022 urteilte das OLG Frankfurt am Main zugunsten der klagenden Person und sprach eine Entschädigung von 1.000,00 € zu. Unsere Pressemitteilung zum Berufungsurteil finden Sie hier. Das BUG hat einen Pressespiegel zusammengestellt, den Sie hier finden. Das Urteil finden Sie hier.
Nachdem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, hat die Deutsche Bahn eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichthof erhoben. Der Bundesgerichtshof hat im September 2024 die Nichtzulassungsbeschwerde in einem Beschluss vom 27.08.2024 (Aktenzeichen X ZR 71/22) der DB Vertrieb GmbH zurückgewiesen Die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde erfolgt auf Kosten der DB Vertrieb GmbH.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hält die Nichtzulassungsbeschwerde für zulässig, allerdings nicht für begründet, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weil die auf die Verletzung von Verfahrungsgrundrechten gestützten Rügen der DB Vertrieb GmbH nicht greifen und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erfordern, dass der BGH sich äußert.
Damit wird das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 09.06.2022 rechtskräftig, in dem die DB Vertrieb GmbH dazu verurteilt wurde, der klagenden Person René_ Rain Hornstein 1.000,00 € Entschädigung zu zahlen und es ab dem 01.01.2023 zu unterlassen, die klagende Person entgegen ihrer nicht-binären Geschlechtsidentität falsch als Herr oder Frau zu bezeichnen.
Seit Anfang 2024 hat die DB Vertrieb GmbH ihre Unternehmenskommunikation derart umgestellt, dass der Zwang zu binären Anreden abgestellt wurde und geschlechtsneutrale Anreden eingeführt wurden.
Weitere Infos zur Klage finden Sie hier.
Abgeschlossene Fälle
Beschwerden
In zwei Fällen von diskriminierender Ansprache konnte eine Diskriminierung geltend gemacht und in 2020 und 2021 ein Vergleich erzielt werden. Das eine Unternehmen hat sich verpflichtet, in einem überschaubaren Zeitrahmen seine Website zu ergänzen. Das andere Unternehmen hat zeitnah und zur Zufriedenheit der betroffenen Person die Ergänzung beim Bestellvorgang vorgenommen.
Das BUG reichte bei der Schlichtungsstelle des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes eine formale Beschwerde ein, da eine*r trans* Kund*in in der Ansprache nur die binäre Anspracheoption zur Verfügung stand. Die Schlichtungsstelle stufte den Vorfall jedoch nicht als Diskriminierung ein.
Das BUG hat im Auftrag einer betroffenen Person Beschwerde bei der LADG-Ombudsstelle in Berlin gegen die Berliner Bäderbetriebe eingelegt. Hintergrund sind fehlende geschlechtsneutrale Umkleiden, die queere Menschen beim Zugang zu den öffentlichen Bädern benachteiligen. Sie müssen sich nicht nur zwanghaft den binär eingeteilten Umkleiden zuordnen, sondern darüber hinaus auch oft diskriminierende und gewaltvolle Erfahrungen auf solchen Toiletten und Umkleiden machen. Obgleich dieses Problem seit Jahren den Berliner Bäderbetrieben und auch dem Berliner Senat bekannt ist, wurden keine umfangreichen Anstrengungen unternommen, um es zu beseitigen. Da nicht nur das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, sondern auch das 2020 in Kraft getretene Landesantidiskriminierungsgesetz Berlin eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität verbietet, verlangten die betroffene Person und das BUG die Einrichtung von geschlechtsneutralen Umkleidemöglichkeiten, um auch queeren Menschen eine diskriminierungsfreie Teilhabe am öffentlichen Leben zu gewähren. Die durch das BUG unterstützte Beschwerde wurde von der Ombudsstelle des Senats Berlin bearbeitet. Die Berliner Bäderbetriebe haben eine frei zugängliche Umkleidekabine, die ursprünglich nur für Menschen mit Behinderung vorgesehen war, zu einer Umkleidekabine für nicht-binäre Personen erweitert.
In einem weiteren Fall konnte bei einer Berufsgenossenschaft aufgrund eines Anschreibens erwirkt werden, dass die Datenbank mit einer weiteren Geschlechtsoption ergänzt und somit die Ansprache angemessen vorgenommen werden kann.