English
Deutsch

Benachteiligung wegen ethnischer Herkunft in Fitnessstudio

AG Neumünster, Urteil vom 18.11.2022 – 39 C 305/22

Die Klägerin, eine Sinteza, wollte sich Mitte Juni in dem von der Beklagten betriebenen Fitnessstudio als Mitglied anmelden. Hierbei stellte sie sich unter Verwendung ihres Familiennamens vor, der unter deutschen Sinti weit verbreitet ist. Ihr wurde daraufhin mitgeteilt, dass ihre Aufnahme in das Fitnessstudio aufgrund der Coronaverordnung, die nur eine begrenzte Mitgliederzahl erlaube, nicht möglich sei, obwohl das Fitnessstudio zu diesem Zeitpunkt aktiv mit Plakaten ein drei-wöchiges Probetraining bewarb.  Als die Klägerin sich nunmehr telefonisch bei einer Reihe anderer Fitnessstudios erkundigte, wurde ihr nicht nur Aufnahmebereitschaft signalisiert, sondern auch mitgeteilt, dass die Corona-Landesverordnung keine Obergrenze für Mitglieder in Fitnessstudios aufstelle. Zudem bat die Klägerin Ende Juni und Juli zwei Freundinnen, nicht Sinteza, um Aufnahme im Fitnessstudio der Beklagten nachzusuchen, welche diesen auch unproblematisch gewährt wurde.

Die Klägerin erhob in der Folge Klage auf Entschädigung. Das Amtsgericht Neumünster sprach der Klägerin einen Entschädigungsanspruch nach § 21 Abs. 2 AGG aufgrund unzulässiger Benachteiligung zu. Diese unzulässige Benachteiligung folgte aus §§ 19 Abs. 2, 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG. Hiernach ist es unzulässig, Personen in Bezug auf den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, wie zum Beispiel beim Zugang zu einem Fitnessstudio, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, aufgrund ihrer ethnischen Herkunft zu benachteiligen. Mangels einer anderen auch nur ansatzweise einleuchtenden Begründung der Beklagten, die in ihren Ausführungen vor Gericht mangelnde Trainingskapazitäten als Begründung für die Benachteiligung der Klägerin vorschob, stand es zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte die Aufnahme der Klägerin in ihr Fitnessstudio allein deswegen abgelehnt hatte, weil es sich bei ihr um eine Sinteza handelt.

Das Gericht erachtete daher eine Entschädigung der Klägerin in Höhe von 1000 Euro als angemessen.

 

Diskriminierung von Wohnungsbewerber*innen mit „türkisch klingendem“ Namen („Testingverfahren“)

Amtsgericht Hamburg-Barmbek, Urteil vom 03.02.2017, 811b C 273/15

Die Klägerin bewarb sich, vertreten durch ihren Sohn, per E-Mail auf eine Wohnung in Hamburg, die von der Beklagten über ein Onlineportal angeboten wurde. Sie erhielt noch am selben Tag eine Absage mit der Begründung, dass die Kapazitäten des Besichtigungstermins erschöpft seien. Einige Tage später erhielt die Klägerin auch im Hinblick auf einen Besichtigungstermin für eine andere Wohnung der Beklagten eine Absage.

Die Klägerin gab an, ihr Sohn habe nach den erfolglosen Bewerbungen um einen Besichtigungstermin jeweils am selben Tag weitere Interessenbekundungen für die streitgegenständlichen Wohnungen per E-Mail an die Beklagte gesendet, wobei er jeweils (erfundene) deutsch und türkisch klingende Namen verwendet habe („Testingverfahren“). Alle türkisch klingenden Namen hätten eine Absage, alle deutsch klingenden Namen hätten eine Einladung zur Wohnungsbesichtigung erhalten. Die Angaben in den Interessenbekundungen seien identisch gewesen. Die Klägerin ist aufgrund dessen der Auffassung, dass ihr aufgrund ihrer ethnischen Herkunft die Teilnahme an einem Besichtigungstermin verweigert worden sei.

Das Amtsgericht Hamburg-Barmbek stellt eine Benachteiligung der Klägerin nach § 3 Abs. 1 AGG fest. Das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot gilt auch bereits im Vorfeld der Vermietung. Liegen Indizien vor, die die Vermutung rechtfertigen, dass ein potenzieller Mieter allein aufgrund seines ausländischen Namens keine Einladung zu einem Besichtigungstermin für eine Wohnung erhalten hat, so spricht der Anschein für eine Benachteiligung aufgrund ethnischer Herkunft. Ein sog. "Testingverfahren", wie es der Sohn der Klägerin durchgeführt hat, ist im Bereich der Wohnungsvermietung zulässig und kann als Indiz für eine Ungleichbehandlung im Rahmen der Beweiswürdigung herangezogen werden. § 19 Abs. 3 AGG ist aufgrund fehlender Vereinbarkeit mit der RL 2000/43/EG und der RL 2004/113/EG nur dann anzuwenden, wenn es sich bei der gezielten Vermietung an bestimmte Personen oder Personengruppen um "positive Maßnahmen" iSv § 5 AGG handelt.

Die Höhe der Entschädigung nach § 21 Abs. 2 AGG richtet sich nach der dreifachen Monatsmiete. Eine Beschränkung der Entschädigung nur auf vorsätzliche Diskriminierung ist nicht notwendig.

 

Kein Zugang zu Disko für „Person of Color“

Amtsgericht Hannover, Urteilvom 25.11.2015 – 549 C 12993/14

Der Kläger ist deutscher Jurist mit ceylonesischen Wurzeln. Als er sich am 13.07.2014 anlässlich des Finalsieges der deutschen Fußballmannschaft gemeinsam mit Freunden zu einer Diskothek in Hannovers Innenstadt begab, wurde er als „Person of Color“ an der Tür abgewiesen, während seine hellhäutigen Begleitpersonen in die Diskothek eingelassen wurden. 

Hieraufhin reichte die betroffene Person Klage gegen die Diskothek wegen einer Benachteiligung aus Gründen der 'Rasse' oder ethnischen Herkunft ein.

Das Gericht urteilte am 25.11.2015, dass „die Dunkelhäutigkeit des Klägers der Grund für den verweigerten Eintritt war", und verhängte ein Schmerzensgeld in Höhe von 1000,- EUR. Außerdem habe der Nachtclub es künftig zu unterlassen, dem Kläger aufgrund seiner ethnischen Herkunft den Zutritt zu der Diskothek zu verwehren.

 

Mieterhöhung ausschließlich für muslimische Mieter_innen ist diskriminierend

Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg, Urteilvom 19.12.2014 – 25 C 357/14

Bei der Klagepartei handelte es sich um eine muslimische Familie mit türkischen Wurzeln. Die Vermieterin der Familie hatte die Kaltmiete zuerst für alle Mitparteien erhöht, jedoch sprach sie zwei Monate nach der ersten Erhöhung  gegenüber der türkischen sowie gegenüber zwei arabischstämmigen und muslimischen Mietparteien eine weitere Mieterhöhung aus. Deutsche und nicht-muslimische mitteleuropäische Mietparteien waren hiervon nicht betroffen.

Im Juni 2010 forderten die Betroffenen die Vermieterin zur Rücknahme der zweiten Mieterhöhung auf und machten Ansprüche wegen einer Diskriminierung geltend. Das wies die Vermieterin zurück, sodass die Klagepartei die nun unbezahlbar gewordene Wohnung kündigen musste. Weil die Wohnungssuche erfolglos blieb, bat die Familie die Vermieterin um eine einmonatige Verlängerung des Mietvertrages. Dies lehnte die Vermieterin ab und drohte mit einer Räumungsklage. Bei deutschen Mieter_innen in ähnlicher Situation zeigte sich die Vermieterin deutlich kulanter. Insgesamt verließen 17 Mietparteien die Wohnanlage, davon 13 mit arabischer und türkischer Zuwanderungsgeschichte. Keine_r der Nachmieter_innen hatte einen arabischen oder türkischen Hintergrund.

Das Amtsgericht verurteilte die Vermieterin zu einer Zahlung von 30.000,- EUR. In seinem Urteil verwies das Gericht auf den Verstoß gegen das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot des AGG und rechtfertigte die Höhe der Entschädigung mit Verweis auf  die Antirassismusrichtlinie, wonach Diskriminierung abschreckend sanktioniert werden müsse, um von weiteren Benachteiligungen abzuhalten.

Der Fall war vom Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin (ADNB) unterstützt worden.

 

Verweigerter Diskoeintritt, weil männliche Ausländer nicht erwünscht seien

Amtsgericht Hannover, Urteil vom 15.08.2013 – 462 C 10744/12

Der Kläger ist Deutscher kurdischer Abstammung und wollte am 14.01.2012 eine Diskothek in Hannover besuchen. Nach der Überzeugung des Gerichts wurde ihm jedoch der Einlass aus dem Grund verweigert, dass männliche Ausländer in der Diskothek nicht erwünscht seien. Er wurde bei seiner Klage durch das BUG begleitet.

Diese Behandlung stellt eine Benachteiligung aufgrund der Rasse/ethnischen Herkunft und des Geschlechts (Mehrfachdiskriminierung) dar.

Der Kläger erhielt eine Entschädigung von 1.000,- EUR. Zudem hat er einen Anspruch darauf, dass solche Handlungen in Zukunft unterlassen werden. Im Falle einer Zuwiderhandlung droht dem Beklagten ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,- EUR.

 

Abweisung an der Diskotür

Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 12.12.2011 – 10 U 106/11

Der Kläger ist ein männlicher schwarzer Deutscher. Als er am 05.11.2010 Einlass in eine Disko in Reutlingen begehrte, wurde er mit der Begründung abgewiesen, dass sich schon „genug schwarze Menschen“ in der Disko befinden würden. Er wurde bei seiner Klage durch das BUG begleitet.

Die Äußerung und Abweisung des Türstehers stellt einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach § 7 i. V. m. § 1 AGG aus Gründen der Rasse bzw. der ethnischen Herkunft in Verbindung mit dem Geschlecht dar.

Der Kläger erhielt eine Entschädigung in Höhe von 900,- EUR

 

Diskriminierung bei der Wohnungssuche

Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 20.01.2011 – 25 C 0278/10 und Amtsgericht Aachen, Urteil vom 17.03.2009 – 8 O 449/07

Ein aus einem afrikanischen Land stammendes Paar vereinbarte mit einer Hausverwaltung einen Termin zur Besichtigung einer annoncierten Wohnung. Diesen Besichtigungstermin sollte die Hausmeisterin des Wohnhauses durchführen. Die Hausmeisterin wies das Paar dann mit den Worten ab, die Wohnung werde nicht an „Neger…äh, Schwarzafrikaner oder Türken“ vermietet. Das Paar konsultierte das Antidiskriminierungsbüro Aachen und verklagte die Hausverwaltung.

Eine Entschädigung aus § 21 AGG war nicht möglich, da die Hausverwaltung nicht „Benachteiligender“ i. S. v. § 21 Abs. 2 AGG war. Benachteiligender ist, wer die begehrte vertragliche Leistung anbietet. Sofern es um den Abschluss eines Mietvertrages geht, ist der Vermieter Anbieter der begehrten Leistung und nicht die Hausverwaltung.

Allerdings hatte die Hausverwaltung die Hausmeisterin zur Durchführung des Besichtigungstermins bestellt. Bei der Durchführung des Termins verletzte die Hausmeisterin mit ihrer Äußerung das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger. Dieses verletzende Verhalten muss sich der Vermieter zurechnen lassen und ist gem. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB untersagt.

Die Beklagte wurde verurteilt, den entstanden Schaden und ein Schmerzensgeld von je 2.500,- EUR zu zahlen.

 

Ablehnung bei Aufnahmeversuch ins Fitnessstudio

Amtsgericht Aachen, Urteil vom 15.12.2016 - 104 C 35/16 und Landgericht Aachen, Urteil vom 11.05.2017 - 2 S 26/17

Der Kläger ist sierra-leonischer Staatsangehöriger und hatte sich seit Dezember 2014 mehrfach um die Aufnahme in ein Aachener Fitnessstudio bemüht. Die Ablehnung wurde vom Betreiber des Fitnessstudios mit einem Aufnahmestopp begründet, wobei gleichzeitig weiße, deutsche Staatsangehörige weiterhin problemlos eine Mitgliedschaft abschließen konnten. Zu einem späteren Zeitpunkt gab die Beklagte dann an, dass eine Aufnahme „aufgrund der schlechten Zahlungsmoral männlicher Mitglieder mit Migrationshintergrund“ nur bei Vorauszahlung eines Jahresbetrages möglich sei.

Der Betroffene reichte daraufhin  Klage gegen den Fitnessstudiobetreiber wegen herkunfts- und geschlechtsbezogener Diskriminierung ein.

Das Amtsgericht Aachen urteilte in erster Instanz zugunsten des Klägers und sprach ihm ein Schmerzensgeld in Höhe von 500,- EUR zu. Mit Hinweis auf die vom AGG vorgesehene präventive Funktion von Schmerzensgeldern, ging der Kläger erfolgreich in Berufung, sodass das Landgericht Aachen in zweiter Instanz ein Schmerzensgeld in Höhe von 2500,- EUR verhängte. Das Gericht begründete dies mit der Vorsätzlichkeit der Diskriminierung durch die Beklagte und zielte auf eine abschreckende Wirkung der Schmerzensgeldhöhe ab.