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Drittes Geschlecht im Personenstandsrecht
Keine Eintragung einer inter*geschlechtlichen Person im Geburtenregister als „inter“ oder „divers“

BGH, Beschluss vom 22.06.2016, XII ZB 52/15 (vorhergehend: OLG Celle, Beschluss vom 21.01.2015, 17 W 28/14)

Eine inter*geschlechtliche Person beantragt die Berichtigung ihres Geburtseintrags dahingehend, dass die Geschlechtsangabe „Mädchen“ in die Angabe „inter“ oder „divers“ geändert werde, da sie weder eine Frau noch ein Mann sei. Sowohl das Amtsgericht Hannover, als auch das Oberlandesgericht Celle und der Bundesgerichtshof haben den Berichtigungsantrag zurückgewiesen. Sie gaben an, die Anerkennung der Inter*sexualität sei zwar als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundrechtlich geschützt, wobei die empfundene Geschlechtlichkeit der Betroffenen relevant sei, allerdings gehe das Familienrecht von einem binären Geschlechtersystem aus und der Gesetzgeber habe sich dazu entschlossen, der Situation von inter*geschlechtlichen Personen durch die Möglichkeit der Offenlassung der Geschlechtsangabe im Geburtenregister entschieden. Somit wäre diesen Entscheidungen zufolge lediglich die Offenlassung bzw. die Streichung der Geschlechtsangabe möglich, nicht jedoch eine Änderung der Geschlechtsangabe in „inter“ oder „divers“.

Personenstandsrecht muss weiteren positiven Geschlechtseintrag zulassen
BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 10.10.2017, 1 BvR 2019/16
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Im Gegensatz dazu stellte das BVerfG schließlich fest, dass § 22 Abs. 3 Personenstandsgesetz mit dem Grundgesetz insoweit nicht vereinbar ist, als dass er neben dem Eintrag „weiblich“ oder „männlich“ keine dritte Möglichkeit bietet, ein Geschlecht positiv eintragen zu lassen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Der Personenstand umschreibt in zentralen Punkten die rechtlich relevante Identität einer Person und ist somit von erheblicher Bedeutung. Die Verwehrung der personenstandsrechtlichen Anerkennung der geschlechtlichen Identität einer Person gefährdet darum bereits die selbstbestimmte Entwicklung. Darüber hinaus verstößt das geltende Personenstandsrecht auch gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG, soweit die Eintragung eines anderen Geschlechts als „männlich“ oder „weiblich“ ausgeschlossen wird, denn Art. 3 Abs. 3 GG schützt alle Menschen vor einer Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts.

Der Grundrechtseingriff ist verfassungsrechtlich auch nicht gerechtfertigt, da das Grundgesetz nicht gebietet, den Personenstand ausschließlich binär zu regeln. Eine einheitliche dritte Geschlechtsbezeichnung ist ein angemessenes Mittel, um den Interessen inter*geschlechtlicher Menschen gerecht zu werden.

Der Gesetzgeber hat deshalb bis zum 31. Dezember 2018 eine Neuregelung zu schaffen. Die bisherigen Normen dürfen für inter*geschlechtliche Personen nicht mehr angewendet werden, soweit sie für diese eine Pflicht zur Angabe des Geschlechts begründen. Die Bundesregierung hat am 15.08.2018 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der als dritte Option die Angabe „divers“ ermöglicht, wenn eine Zuordnung zu einem der beiden Geschlechter nicht möglich ist. Allerdings wäre demnach für einen Antrag auf die Eintragung der sogenannten dritten Option ein ärztliches Attest erforderlich.