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Diskriminierung aufgrund der Behinderung

Ablehnung der Einstellung als Beamter der Berliner Feuerwehr wegen eines positiven HIV-Status ist unmittelbare Benachteiligung

VG Berlin, Urteil vom 23.09.2022 – 5 K 322.18

Der Kläger bewarb sich im Frühjahr 2018 als Beamter in den feuerwehrtechnischen Dienst. Im Rahmen des Bewerbungsverfahrens wurde bei dem Kläger, wie auch bei allen anderen Bewerbern, ein HIV-Test durchgeführt. Dieser Test fiel bei dem Kläger positiv aus. Im Mai 2018 erhielt der Kläger eine Ablehnung seiner Bewerbung mit dem Grund, dass er HIV-positiv sei. Hiergegen macht der Kläger Schadensersatz und Schmerzensgeld nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend.

Die HIV-Infektion des Klägers eröffnet den Rechtsschutz für Menschen mit chronischen Krankheiten über die Diskriminierungskategorie Behinderung im Sinne von § 1 AGG. Durch den Ausschluss aus dem Einstellungsverfahren aufgrund der HIV-Infektion wurde der Kläger auch gemäß §§ 7 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1 AGG unmittelbar wegen seiner chronischen Krankheit benachteiligt. Eine Rechtfertigung dieser Benachteiligung wegen beruflicher Anforderungen gemäß § 8 Abs. 1 AGG war nicht gegeben. Nach § 8 Abs. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung zulässig, wenn dies wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

Im vorliegenden Fall wurde eine Fortführung des Einstellungsverfahrens davon abhängig gemacht, dass der Kläger keinen positiven HIV-Status hat. Konkrete Erwägungen zu dem individuellen Gesundheitszustand des Klägers – etwa zu Dauer der Infektion, Infektiosität, Nebenwirkungen etwaiger Medikamente und dergleichen mehr – wurden hingegen nicht angestellt. Die Außerachtlassung all dieser Gründe und die alleinige Anforderung eines nicht positiven HIV-Status war jedoch laut Gericht für einen Bewerber für den Dienst der Berliner Feuerwehr weder notwendig noch angemessen und steht der einer Einstellung in den Vorbereitungsdienst der Berliner Feuerwehr nicht grundsätzlich und nicht in jedem Fall entgegen.

Dem Kläger wurde eine Entschädigung in Höhe von 2.500 Euro zugesprochen.

 

Erblindung führt nicht zu Ablehnung einer Heilpraktikererlaubnis

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13.12.2012 – 3 C 26.11

Die Klägerin, die seit 2005 vollständig erblindet ist, begehrt die Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis (Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Approbation). Sie bestand 2009 den schriftlichen und mündlichen Teil der behördlichen Überprüfung der heilkundlichen Kenntnisse und Fähigkeiten. 2010 lehnte die zuständige Behörde – die Beklagte – die Erteilung der Heilpraktikererlaubnis aufgrund der Erblindung jedoch ab.

Die Klägerin klagte gegen die behördliche Entscheidung und machte dabei geltend, von der Beklagten in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit verletzt zu sein. Zudem verstoße die Versagung gegen das Verbot, jemanden wegen seiner Behinderung zu benachteiligen.

Das Verwaltungsgericht entschied, dass die Klägerin eine beschränkte Erlaubnis beanspruchen könne. Die Beschränkung würde sich zumindest auf diejenigen Krankheitsbilder beziehen, die die Klägerin allein durch Tasten diagnostizieren und behandeln könne. Hierfür wäre allerdings eine weitere Kenntnisprüfung nötig, in der die Klägerin zeigt, dass sie trotz blindheitsbedingter Grenzen eine Krankheit allgemein diagnostizieren und behandeln könne.

Die Behörde legte dagegen Revision ein.

Die Revision hatte jedoch keinen Erfolg. Wenn man verlangen würde, dass die Antragstellerin in der Lage sein müsse, sämtliche Heilkundetätigkeiten auszuüben, würde die Berufsfreiheit unverhältnismäßig eingeschränkt, führte das BVerwG aus. Bloß weil Betätigungsfelder vorlägen, die die Betreffende nicht ausüben könne, sei eine Aberkennung der beruflichen Eignung nicht gerechtfertigt. Schließlich könne die Klägerin ein beträchtliches Spektrum heilpraktischer Tätigkeiten ausüben.

Das Bundesverwaltungsgericht ging sogar noch weiter und führte aus, dass die Klägerin eine unbeschränkte Heilpraktikererlaubnis beanspruchen könne. Eine beschränkte Erlaubnis verstoße gegen rechtsstaatliche Bedenken, weil sie zu unbestimmt sei. Demnach sei eine unbeschränkte Erlaubnis nötig. Eine ergänzende Kenntnisprüfung sei nichtsdestotrotz erforderlich.