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Stelle einer kommunalen Gleichstellungsbeauftragten in Schleswig-Holstein darf ausschließlich für Frauen ausgeschrieben werden

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 02.11.2017, 2 Sa 262 d/17

Der Kläger hatte sich auf die ausgeschriebene Stelle als kommunale Gleichstellungsbeauftragte unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung beworben. Die Beklagte antwortete daraufhin, dass die Stelle einzig an Frauen zu vergeben sei und aus diesem Grund die Bewerbung des Klägers keine Berücksichtigung finden könne. Der Kläger begehrt infolgedessen Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG.

Diese Entschädigung wurde ihm vom Gericht nicht zugesprochen, da die Benachteiligung des Klägers aufgrund seines Geschlechts nach § 8 Abs. 1 AGG zulässig war und eine Diskriminierung wegen seiner Schwerbehinderung nicht vorlag.

Die Anforderung des weiblichen Geschlechts der Gleichstellungsbeauftragten stellte eine wesentliche und entscheidende Anforderung wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit gem. § 8 AGG dar.  Die Position der Gleichstellungsbeauftragten zielt darauf ab, die Situation der Frauen im öffentlichen Dienst zu verbessern, was einen legitimen Zweck darstellt, der auf angemessene Art durch eine weibliche Gleichstellungsbeauftragte erreicht werden soll.

Auch eine Diskriminierung aufgrund der Schwerbehinderung des Klägers liegt nicht vor, da eine Einladung des Klägers zum Vorstellungsgespräch entbehrlich war. Dies ergibt sich daraus, dass die fachliche Eignung des Klägers offensichtlich fehlte, denn die Beklagte hatte die Stellenausschreibung erkennbar und in zulässiger Weise auf weibliche Bewerber*innen beschränkt.

 

Durch Anforderungen an die Körpergröße als Einstellungsvoraussetzung werden Frauen gegenüber Männern mittelbar benachteiligt

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 29. 04.2016 – 19 Sa 45/15

Die Klägerin bewarb sich im Oktober 2014 auf die Stellenausschreibung der Beklagten für Zugbetreuerinnen und Zugbetreuer im Fernverkehr. In ihrer Bewerbung gab sie unter anderem auch an, dass sie 1,55 m groß sei. Sie wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Ein Betriebsratsmitglied der Beklagten bestätigte der Klägerin auf Nachfrage, dass die Einladung aufgrund mangelnder Körpergröße unterblieben sei.

Die Klägerin klagte daraufhin mit der Begründung, sie sei aufgrund ihrer Körpergröße nicht zu einem Einstellungsgespräch eingeladen worden.

Das Arbeitsgericht Karlsruhe gab der Klägerin Recht und urteilte, sie habe eine Entschädigung aus §§ 15 Abs. 2, 7 Abs. 1, 3 Abs. 2 AGG. Das beklagte Bahnunternehmen legte Berufung ein, jedoch ohne Erfolg.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg führt aus, dass eine mittelbare Benachteiligung auch dann angenommen werden kann, wenn sich aus statistischen Daten ergibt, dass – im Vergleich zu männlichen Arbeitnehmern – ein wesentlich geringerer Prozentsatz der weiblichen Arbeitnehmerinnen die aufgestellten Voraussetzungen erfüllen kann. Laut dem Mikrozensus 2013 liegt die Durchschnittsgröße bei Männern bei 1,78m, bei Frauen bei 1,65m. Damit haben überdurchschnittlich mehr Frauen eine geringere Körpergröße.

Die Beklagte hat die Ablehnung auch auf die geringe Körpergröße gestützt, was die Klägerin mittelbar wegen des Geschlechts benachteiligt, ohne dass hierfür sachliche Gründe vorliegen. Insbesondere können sicherheitsrelevante Aufgaben auch mit geringer Körpergröße erfüllt werden.

Der Klägerin steht eine Entschädigung in Höhe von 4.077,12 EUR (zwei Monatsgehälter) zu.

Geringere Bezahlung bei gleicher Arbeit

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.01.2016 – 4 SA 616/14

Die Klägerin ist seit Dezember 1994 im Schuhfabrikbetrieb der Beklagten eingestellt. Bis Dezember 2012 zahlte die Beklagte den angestellten Frauen bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Stundenlohn als den Männern. Ein Grund, der diese Ungleichbehandlung rechtfertig, liegt nicht vor.

Die den Mitarbeiter_innen gewährte Anwesenheitsprämie sowie das Weihnachts- und Urlaubsgeld werden auf Grundlage des Stundenlohns berechnet.

Die Klägerin klagte auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt, Entgeltfortzahlung, Anwesenheitsprämien, Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Das Arbeitsgericht Koblenz lehnte die Klage in erster Instanz ab, da die Ansprüche der Klägerin verjährt seien. Daraufhin legte die Klägerin Berufung ein.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschied zugunsten der Klägerin: Sie hat somit einen Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitslohn, Urlaubsgeld, Krankenvergütung, Weihnachtsgeld und Anwesenheitsprämie. Da es sich um Nachzahlungsansprüche und nicht um Schadensersatz handelt, zählt die für Schadensersatzansprüche geltende Zweimonatsfrist (§ 15 Abs. 4 AGG) nicht.

Die unerlaubt benachteiligte Arbeitnehmerin hat mithin einen Anspruch auf vorenthaltene Leistung. Das Landesarbeitsgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 13.374,94 EUR.

 

Handschriftlicher Vermerk auf Lebenslauf „7 Jahre alt!“ begründet Indiz für Diskriminierung wegen Geschlechts

Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 11.06.2015 – 11 Sa 194/15

Die Klägerin bewarb sich auf die Stellenausschreibung der Beklagten, eines lokalen Radiosenders, auf die Stelle einer Buchhalterin.

Sie wurde abgelehnt, wobei sie auf dem zurückgesandten Lebenslauf neben der Textzeile „Verheiratet, ein Kind“ auch den handschriftlichen Vermerk „7 Jahre alt!“ fand – beides war durchgängig unterstrichen.

Die Klägerin reichte daraufhin Klage ein und führte aus, dass dieser Vermerk ein Indiz für eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG wegen ihrer Mutterschaft begründe.

Das Arbeitsgericht Siegen gab der Klage nicht statt. Das Landesarbeitsgericht Hamm gab ihr im Rahmen der Berufung zunächst auch nicht Recht, woraufhin das Bundesarbeitsgericht das Urteil des LAG jedoch aufhob und zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückwies.

Schließlich stellt das LAG Hamm fest, dass eine unmittelbare Benachteiligung wegen Geschlechts vorliegt. Eine Äußerung von Arbeitgeberseite, die dem anderen Geschlecht gegenüber nicht gemacht worden wäre, kann einen Grund im Sinne von § 3 AGG darstellen.

Durch den handschriftlich unterstrichenen Vermerk ist eine Verbindung zwischen der angestrebten Anstellung und der Aufgabe der Kinderbetreuung, die auf tradierten Rollenmustern in Familien abstellt, hergestellt. Die Problematik, Kinderbetreuung und Berufstätigkeit zu vereinbaren, ist damit für die Bewerberin negativ berücksichtigt worden. Hierbei ist besonders hervorzuheben, dass das LAG Hamm auf die Auswertungen des Mikrozensus 2010 durch das Statistische Bundesamt zur Frage von Vereinbarkeit von Familie und Beruf Bezug nimmt. Das Gericht führt aus, dass durch die Auswertung deutlich werde, dass die Familiengründung und Kinder das Erwerbsverhalten der Frauen beeinflussen.

Äußerungen, die von tradierten Rollenmustern ausgehen und diese als Grundlage der Personenauswahl verdeutlichen, können somit eine unmittelbare Diskriminierung darstellen. Dies kann vor allem die Annahme sein, eines der beiden Geschlechter sei hauptsächlich für die Kinderbetreuung zuständig, als Arbeitskraft weniger flexibel oder nur mit Einschränkungen verfügbar.

Der Klägerin steht eine Entschädigung in Höhe von 3.000,- EUR nach § 15 Abs. 2 AGG zu.

 

Mindestlängenanforderung bei der Polizei diskriminiert Frauen mittelbar

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 26.03.2015 – 12 A 120/14

Die Klägerin bewarb sich im November 2013 auf die Einstellung in den Vorbereitungsdienst des höheren Polizeivollzugdienstes der Bundespolizei. Aufgrund ihrer Körpergröße (1,58 m) wurde sie in dem Bewerbungsverfahren jedoch nicht berücksichtigt. Sie würde nicht die aufgestellten Mindestanforderungen hinsichtlich der Körperlänge erfüllen (1,63m).

Daraufhin legte die Klägerin Klage wegen Diskriminierung nach dem AGG ein. Das schleswig-holsteinische Verwaltungsgericht entschied, dass die aufgestellten Körperlängenanforderung eine mittelbare Benachteiligung von Frauen gem. § 3 Abs. 2 AGG wegen des Geschlechts bewirke.

Der Dienstherr, vorliegend der Bund, ist an die Auswahlgrundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG (Leistungsprinzip) gebunden. Wenn ein Ausschlusskriterium formuliert werden soll, ist hierfür ein sachlicher Grund notwendig, der insbesondere gegenüber der mittelbaren Benachteiligung verhältnismäßig ist. Die Benachteiligung ist also dann gerechtfertigt, wenn die Mindestanforderung eine besonders wichtige berufliche Anforderung darstellt. Das Gericht bezieht sich weiter auf den Aufsatz der Professorin für Ethnologie an der Universität Wien, Sylvia Kirchengast, die in ihrem Aufsatz „Minimum body height requirements for police officers – an international comparison“ feststellt, dass häufig auf das Mindestlängenkriterium verzichtet und vielmehr auf individuelle Merkmale wie körperliche Fitness und Abwehrfähigkeiten abgestellt wird. Demnach stellt die Mindestlängenanforderung keinen sachlichen Grund dar.

Der Klägerin steht eine Entschädigung in Höhe von 3.780,31 EUR wegen mittelbarer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts zu.

 

Keine Beförderung wegen Schwangerschaft

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.06.2011 – 3 Sa 917/11

Die Arbeitnehmerin war bei Sony im Bereich „International Marketing“ als eine von drei Abteilungsleiter_innen beschäftigt. Im September 2005 wurde die Stelle des Vorgesetzten frei. Die Arbeitgeberin besetzte diese mit einem Mann und nicht mit der damals schwangeren Klägerin, obwohl die Klägerin stets die Vertretung bei Abwesenheit des vorherigen Stelleninhabers gewesen war.

Die Klägerin reichte eine AGG-Klage ein. Zur Begründung führte sie aus, dass sie die Stelle wegen ihrer Schwangerschaft nicht erhalten habe. Dabei wurde u. a. berücksichtigt, dass bei der Ablehnung ihrer Bewerbung seitens der Arbeitgeberin geäußert wurde, „sie solle sich doch auf ihr Kind freuen“. Zudem wurden ihr trotz Nachfrage keine konkreten Gründe für die Beförderung eines Kollegen genannt, obwohl ihrer Bewerbung zuvor Chancen eingeräumt worden waren. Die Arbeitgeberin behauptete hingegen, für die getroffene Auswahl hätten sachliche Gründe gesprochen.

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände spreche eine Vermutung dafür, dass die Arbeitnehmerin wegen ihrer Schwangerschaft nicht befördert worden sei. Diese Vermutung konnte die Beklagte nicht widerlegen. Es war daher von einer geschlechtsspezifischen Benachteiligung auszugehen, die nach dem AGG unzulässig ist.

Die Beklagte zahlte an die Klägerin eine Entschädigung im unteren fünfstelligen Bereich wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung (siehe hier).