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Nationale Urteile:

Altersgrenze für Flugkapitän

Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 26.01.2012 – 7 Sa 1362/08

Der Kläger ist 1948 geboren und seit 1977 bei der Beklagten als Flugkapitän beschäftigt. Laut dem auf sein Arbeitsverhältnis anzuwendenden Manteltarifvertrag liegt die Altersgrenze für Pilot_innen bei 60 Jahren. Nach § 27 Abs. 1 des Manteltarifvertrags endet das Arbeitsverhältnis des Cockpitpersonals, ohne dass es einer Kündigung bedarf, spätestens mit Ablauf des Monats, in dem das 60. Lebensjahr vollendet wird. Demzufolge würde das Arbeitsverhältnis ab 2008 automatisch enden.

Der Kläger klagt darauf, festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis auch über den Februar 2008 hinaus besteht.

Das Bundesarbeitsgericht suchte um Vorabentscheidung beim Europäischen Gerichtshof und fragte, ob die EG-Richtlinie 78/2000 und/oder der allgemeine Grundsatz über das Altersdiskriminierungsverbot den nationalen Regeln (hier der Manteltarifvertrag, der eine Altersgrenzenregelung aus Gründen der Flugsicherheit anerkennt) entgegenstehen würden. Der Europäische Gerichtshof antwortete, dass die Vorschriften des AGG auch auf solche Tarifverträge anzuwenden wären, die vor dem Inkrafttreten des AGG vereinbart wurden. Schließlich würde die Diskriminierung wegen des Alters bis zum Erreichen der Altersgrenze andauern. Dieser Zeitpunkt begründe die Anwendbarkeit des AGG. Es sei nicht erforderlich, dem Piloten, der das 60. Lebensjahr vollendet habe, die Fluglizenz zu entziehen. Nach internationalen Regelungen könne ein Pilot auch in dem Alter weiter eingesetzt werden, und zwar dann, „wenn er Mitglied einer Flugbesatzung ist, die aus mehreren Piloten besteht, und die anderen Piloten das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.“

Mithin urteilte das Landesarbeitsgericht Niedersachsen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Regelung im Manteltarifvertrag beendet ist. Der Kläger wird durch die Regelung aufgrund seines Alters benachteiligt, was einen Verstoß gegen §§ 1, 7 Abs. 1 AGG begründet. § 27 des Manteltarifvertrags verstößt weiter gegen die EG-Richtlinie 78/2000 und sei deshalb unwirksam.

 

Altershöchstgrenze für Nachwuchswissenschaftler

Bundesarbeitsgericht, Urteilvom 06.04.2011  – 7 AZR 524/09

Der Kläger, geboren 1968, war 2003 von der beklagten Universität befristet bis 2007 eingestellt worden. Seine Stelle diente der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zur Vorbereitung der Habilitation und beinhaltete auch Lehraufgaben.

Ein Beschluss des Universitätsrektorats legte fest, dass die befristete Einstellung von wissenschaftlichem Personal nur zulässig ist, wenn das Beschäftigungsverhältnis vor dem vollendeten 40. Lebensjahr – ausnahmsweise spätestens ein halbes Jahr danach – endet.

Im Jahr 2007 war der Kläger 39 Jahre alt. Er und die Universität schlossen einen Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag, wonach der Kläger befristet bis 2008 weiterbeschäftigt wurde. Ohne den Rektoratsbeschluss wäre der Arbeitsvertrag mit einem über 2008 hinausgehenden Endtermin – jedenfalls mit einer Dauer bis 2009 ‑ vereinbart worden.

Die Befristung im Änderungsvertrag ist eine Altersdiskriminierung nach § 7 Abs. 1 AGG, die nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Es liegt auch kein Grund aus § 10 AGG vor, nach dem eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig ist, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist.

Die Befristung wurde durch das Gericht für unwirksam erklärt.

 

Tarifliche Höchstaltersgrenze für Piloten

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 08.12.2010 – 7 ABR 98/09

Ein Luftfahrtunternehmen hat das Höchstalter für die Einstellung von in anderen Luftfahrtunternehmen ausgebildeten Piloten auf 32 Jahre und 364 Tage festlegt.

Die Altersgrenzenregelung beschränkt somit die Freiheit der Berufswahl älterer Arbeitsplatzbewerber.

Eine tarifvertragliche Betriebsnorm, die für ein Luftfahrtunternehmen das Höchstalter für die Einstellung von in anderen Luftfahrtunternehmen ausgebildeten Piloten auf 32 Jahre und 364 Tage festlegt, ist unwirksam.

 

EuGH Urteile:

Diskriminierung bei Altersbefristung (Mangold)

Gegenstand des Verfahrens des Europäischen Gerichtshof (EuGH) war, ob die Regelung des § 14 Abs. 3 Teilzeit und Befristungsgesetz (TzBfG) über die erleichterte Befristung von Arbeitsverträgen mit älteren Arbeitnehmer*innen ab dem 52. Lebensjahr vereinbar mit Art. 6 der Richtlinie 2000/78 EG für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind.

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie sieht zwar vor, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts einem legitimen Ziel dienen. Nach der Regelung des nationalen Gesetzes wird jedoch das Alter der betroffenen Arbeitnehmer*innen als einziges Kriterium für die Befristung des Arbeitsvertrages festgelegt. Der EuGH hat entschieden, dass das nationale Recht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung gemäß der Richtlinie verstößt und nicht nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000//8 als Rechtfertigung herangezogen werden kann. Folge dieses Urteils ist letztendlich die Unvereinbarkeit des § 14 TzBfG mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht. Wegen seines Anwendungsvorrangs müssen deutsche Gerichte diese Regelung als unangewandt und unwirksam ansehen.

EuGH Urteil vom 22.11.2005 – Rs. C-144/04 

 

Altersfrist in Beschäftigung ist diskriminierend (Kücükdeveci)

Gegenstand des Verfahrens waren deutsche Bestimmungen, wonach die vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegenden Beschäftigungszeiten bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht berücksichtigt werden.

Frau Kücükdeveci sah darin einen Verstoß gegen die Richtlinie 2000/78/EG für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung.

Dieses Verbot ist so auszulegen, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegende Beschäftigungszeiten des*der Arbeitnehmer*in bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht berücksichtigt werden.

Laut EuGH Urteil muss jedes nationale Gericht auch in einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen die Beachtung des Diskriminierungsverbots wegen des Alters in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78/EG sicherstellen und gegebenenfalls entgegenstehende Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts unangewendet lassen.

EuGH Urteil vom 19.01.2010 – Rs. C-555/07