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Rassismus gegen Sinti und Roma wird als Antiziganismus bezeichnet. Er verdeutlicht zum einen, dass es dabei nicht um tatsächliche Eigenschaften oder Merkmale von Sinti und Roma geht, sondern um stereotypisierte Vorstellungen der Mehrheitsgesellschaft von einer als „fremd“ konstruierten Gruppe. Außerdem umfasst der Begriff, dass von dieser Diskriminierung nicht nur Sinti und Roma betroffen sind, sondern auch Personen, die der Minderheit aufgrund von rassistischen Kategorisierungen zugeordnet werden. Im Gegensatz dazu stehen Wort-Neuschöpfungen wie „Antiromaismus“ oder „Gadje-Rassismus“ („Gadje“ = Nicht-Angehörige der Minderheit auf Romanes), die eingesetzt werden. Im Oktober 2020 verabschiedete die Internationale Allianz zur Holocaust-Erinnerung (IHRA) eine Arbeitsdefinition des Begriffs „Antiziganismus“: „Antiziganismus manifestiert sich in individuellen Äußerungen und Handlungen sowie institutionellen Politiken und Verfahren der Marginalisierung, Ausgrenzung, physischen Gewalt, Herabwürdigung von Kultur und Lebensweise der Sinti und Roma sowie Hassreden, die gegen Sinti und Roma sowie andere Einzelpersonen oder Gruppen gerichtet sind, die zur Zeit des Nationalsozialismus und noch heute als „Zigeuner“ wahrgenommen, stigmatisiert oder verfolgt wurden bzw. werden. Dies führt dazu, dass Sinti und Roma als eine Gruppe vermeintlich Fremder behandelt werden, und ihnen eine Reihe negativer Stereotypen und verzerrter Darstellungen zugeordnet wird, die eine bestimmte Form des Rassismus darstellen.“

Die historischen Ursprünge des Antiziganismus bzw. Rassismus gegen Sinti und Roma finden sich Ende des fünfzehnten Jahrhunderts. Heutige Erscheinungsformen des Antiziganismus bzw. Rassismus gegen Sinti und Roma weisen die gleichen Muster auf wie in seinen Anfängen.

Antiziganismus bzw. Rassismus gegen Sinti und Roma entsteht laut Dr. Markus End in einem dreischritt-artigen Prozess, in dem zunächst eine Differenzierung zwischen der Gruppe der Mehrheitsgesellschaft und der als „fremd“ wahrgenommenen Gruppe der Minderheit vorgenommen wird. Anschließend werden den Gruppen essentialisierte Eigenschaften und Merkmale in Form von Sinn- oder projektiven Bildern zugeschrieben. Diese werden im dritten Schritt bewertet, wobei zumeist die Eigenschaften der Mehrheitsgesellschaft im Gegensatz zu denen der Minderheit als positiv und erstrebenswert gewertet werden. So wird die „Wir-Identität“ der Mehrheit und die „Ich-Identität“ der einzelnen Individuen durch Abwertung der Minderheit gestärkt. Die „Sinnbilder“, auf denen Antiziganismus bzw. Rassismus gegen Sinti und Roma beruht, verändern sich mit der gesellschaftlichen Entwicklung.