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Der Antragsteller besaß eine Wohnung in Zagreb im dritten Stock, in der er mit seiner Frau und zwei Kindern wohnte.

Drei Jahre nach dem Kauf der Wohnung wurde 2003 das dritte Kind des Paares geboren. Das Kind hatte seit seiner Geburt mehrere Formen von körperlicher und geistiger Behinderung. Im April 2008 diagnostizierte eine Expert*innenkommission Zerebralparese und eine gravierende Einschränkung der mentalen Fähigkeiten sowie Epilepsie. Im September 2008 wurde das Kind durch zuständige Sozialdienste als 100% behindert eingestuft.

In der Zwischenzeit kaufte der Antragsteller ein Haus in Samobor und verkaufte im Oktober 2008 seine Wohnung in Zagreb. Laut Antragssteller war der Grund für den Kauf des Hauses, dass das Gebäude, in dem die vorherige Wohnung war, keinen Aufzug besaß und nicht für die Bedürfnisse des Kindes mit Behinderung und seiner Familie angemessen war. Insbesondere war es sehr schwierig, mit dem Sohn in seinem Rollstuhl aus der Wohnung zu gelangen, um ihn zum Arzt, zur Physiotherapie oder in den Kindergarten zu bringen.

Am 19. Oktober 2006, nachdem er das Haus in Samobor gekauft hatte, reichte der Antragsteller eine Anfrage auf Steuerbefreiung bei den kroatischen Steuerbehörden ein. Er berief sich hierbei auf Sektion 11 des kroatischen Real Property Transfer Act. Dieser besagt, dass es die Möglichkeit der Steuerbefreiung für Personen gibt, welche ein Haus oder eine Wohnung kaufen, um sich angemessene Wohnanforderungen zu ermöglichen, solange er*sie oder Angehörige keine andere Wohnung oder kein anderes Haus besitzen, welches diesen Wohnanforderungen entspricht. In seiner Anfrage argumentierte der Antragsteller, dass die Wohnung, welche er in Zagreb besaß, den Anforderungen nicht gerecht werden könne, da es schwierig bis unmöglich gewesen sei, den Sohn im Rollstuhl ohne Aufzug aus der Wohnung zu befördern. Der Antragsteller gab an, das neue Haus gekauft zu haben, um den Anforderungen seines Sohnes gerecht zu werden.

Am 6. Mai 2009 lehnte das Finanzamt in Samobor die Anfrage mit der Begründung ab, dass die vorherige Wohnung in Zagreb den Anforderungen genüge, sowohl in Bezug auf Hygiene und technischen Anforderungen als auch in Bezug auf die grundlegende Infrastruktur in Form von Elektrizität und Wasseranschluss. Das Finanzamt forderte daraufhin Steuergelder in Höhe von 11.250 Euro. Der Antragsteller reichte diesbezüglich Beschwerde beim Finanzministerium ein, welche allerdings ebenfalls abgelehnt wurde.

Am 7. September 2009 legte der Antragsteller eine Verwaltungsbeschwerde beim Oberverwaltungsgericht (Visoki upravni sud Republike Hrvatske) ein und argumentierte, dass die vorherigen Institutionen die Behinderung seines Sohnes und daraus resultierende spezifische Anforderungen an den Wohnraum ignoriert hätten. Der Antragsteller behauptete, dass in seinem Fall das Vorhandenseins eines Aufzugs eine infrastrukturelle Voraussetzung für angemessenen Wohnraum sei, ähnlich wie der Zugriff auf Wasser oder Elektrizität.

Sowohl das Oberverwaltungsgericht als auch daraufhin das kroatische Verfassungsgericht wiesen die Beschwerde des Antragstellers ab.

Die kroatische Regierung warf dem Antragsteller zudem vor, dass er zunächst nicht darauf eingegangen sei, dass er eine Diskriminierung vermute und nicht alle Möglichkeiten, die die kroatischen Mechanismen zur Bekämpfung von Diskriminierung böten, ausgeschöpft hätte, bevor er sich an den EMGR gewendet habe.

Der Antragsteller behauptete, dass die kroatischen Behörden eine angemessene Untersuchung seiner Anfrage nach Steuerbefreiung versäumt und ihm dadurch angemessene Mittel für den Schutz seiner Rechte entzogen hätten. Darüber hinaus argumentierte der Antragsteller, dass die Behörden keine tragfähigen Konzepte für die Wohnanforderungen von Menschen mit Behinderungen hätten und dieses Versäumnis eine indirekte Diskriminierung darstelle.  Die Richtlinien für angemessenen Wohnraum würden sich laut Antragsteller lediglich aus den Anforderungen von Menschen ohne Behinderung ergeben. Die Diskriminierung in diesem Fall ergebe sich also aus der unangemessenen Interpretation der Aussage „Besitz, welcher die Anforderung einer Familie an Wohnraum erfüllt” durch die kroatischen Behörden. Die kroatische Regierung behauptete allerdings, dass die Ablehnung des Antrags auf Steuerbefreiung nicht aus diskriminierenden Gründen geschah, sondern ein Resultat der finanziellen Situation des Antragstellers sei. Die Steuerbefreiung sei für finanziell Benachteiligte gedacht, zu jenen der Antragsteller allerdings nicht zuzurechnen sei, da er bereits vorher eine zufriedenstellende Wohnung in Zagreb besessen habe.