Nr. 19 / September 2020
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Diskriminierung
muss man
nicht
hinnehmen!



Die neunzehnte Ausgabe des BUG Newsletters

Das BUG veröffentlicht zwei- bis dreimal jährlich einen kleinen Newsletter. Dieser stellt kurz und bündig die gegenwärtigen Aktivitäten des BUG dar. Wer sich hierfür noch nicht angemeldet hat, ist herzlich eingeladen, dies zu tun. Senden Sie bitte eine E-Mail an vera.egenberger@bug-ev.org. 

Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre der siebzehnten Ausgabe des BUG-Newsletters und würden uns über die Verbreitung des Newsletters bei Kolleg*innen und Interessierten freuen..

Aktuelle Entwicklungen
  • Am 04.06.2020 hat das Abgeordnetenhaus Berlin ein Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) für Berlin beschlossen, welches am 21.06.2020 in Kraft getreten ist (GVBl. Nr. 29 vom 20.06.2020, S. 532 ff.) und für die gesamte Berliner Verwaltung gilt. Es bietet beim Umgang mit Behörden und öffentlichen Einrichtungen Schutz vor jeglicher Form von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, einer rassistischen und antisemitischen Zuschreibung, der Religion und Weltanschauung, einer Behinderung, einer chronischen Erkrankung, des Lebens-alters, der Sprache, der sexuellen und geschlechtlichen Identität sowie des sozialen Status. Es erweitert den rechtlichen Schutz vor Diskriminierung und eröffnet den Betroffenen bei der Verletzung des Gesetzes einen Anspruch auf finanzielle Entschädigung. Weiterhin enthält das LADG Regelungen, die die Beweislast für die Betroffenen mindern und es erleichtern, Diskriminierungsvorwürfe zu erheben. Diese müssen nicht vollumfänglich bewiesen werden, sondern die Glaubhaftmachung von Tatsachen, die einen Verstoß gegen das LADG wahrscheinlich machen, ist ausreichend. Neben der Prozessstandschaft und dem Verbandsklagerecht sieht das LADG die Errichtung einer Ombudsstelle vor. Die Ombudsstelle soll betroffene Personen durch Information und Beratung bei der Durchsetzung ihrer Rechte unterstützen.
  • Durch den Diskussionsvorschlag der Grünen, angeregt von Robert Habeck und Aminata Touré, zur Streichung bzw. Änderung des Begriffs „Rasse“ im Grundgesetz, wurde eine intensive Debatte über die derzeitige Formulierung in Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 GG ausgelöst. Im GG heißt es: „Niemand darf wegen […] seiner Rasse benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Die Diskussion um den Begriff „Rasse“ ist kein neues Phänomen: In den vergangenen Jahren wurden von unterschiedlichen Interessenverbänden ebenfalls Vorschläge zu Änderungen vorgelegt. In der Kritik steht der Begriff, weil das Wort „Rasse“ Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen impliziert und der Eindruck entsteht, als könne man diese in Kategorien einteilen. Eine ausführliche Diskussion im Bundestag wird erwartet.
  • Die Black-Lives-Matter-Bewegung begann im Jahr 2013 als Reaktion auf den Freispruch des Wachmanns George Zimmermann, der den unbewaffneten schwarzen Teenager Trayvon Martin tötete. Die Bewegung setzt sich gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt und für den Kampf gegen Rassismus und Benachteiligung schwarzer Menschen in sämtlichen Lebensbereichen ein. Mehrere Todesfälle, dem gleichen Muster folgend, befeuerten die „BLMB“ und machten sie zu einer internationalen Bewegung. Nach dem Tod von George Flyod im Mai dieses Jahres ist die „BLMB“ in den USA und darüber hinaus massiv gewachsen. Hunderttausende Menschen auf der ganzen Welt solidarisieren sich mit der Bewegung. In Deutschland hat die „BLMB“ mehrere Demonstrationen, mit zehntausenden Teilnehmer*innen, gegen strukturellen Rassismus, Racial Profiling und Polizeigewalt organisiert. Am 06.06.2020 z. B. fanden zeitgleich in zahlreichen deutschen Städten Proteste statt. In München versammelten sich an diesem Tag ca. 25.000 Teilnehmende, in Berlin etwa 15.000 und in Hamburg rund 14.000.
  • Der Empfehlung der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) folgend, plante das Bundesinnenministerium (BMI) zunächst, mit Unter-stützung des Bundesjustizministeriums (BMJV) eine Studie zu strukturellem Rassismus in der Polizei und Racial Profiling in Deutschland in Auftrag zu gegeben. Diese sollte dessen Ausmaße analysieren. Unter Racial Profiling werden Polizei-maßnahmen verstanden, bei denen Menschen ohne konkreten Anlass aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes kontrolliert werden. Kontrollen dieser Art verstoßen gegen das aus Unionsrecht und Grundgesetz folgende Diskriminierungsverbot bzw. Gleichbehandlungsgebot. Horst Seehofer (CSU) hat, in seiner Funktion als Bundesinnenminister, die Durchführung der Studie abgesagt. Als Begründung führte er an, dass er „keinen Bedarf“ für eine solche Studie sehe. „Weder die Polizeigesetze des Bundes noch die einschlägigen Vorschriften und Erlasse erlauben eine solche Ungleichbehandlung von Personen“, so das BMI. Aufgrund des Verbots komme es auch nur in „absoluten Ausnahmefällen“ zu Racial Profiling. Das BMI weiter: „Bekannt werdende Einzelfälle von Diskriminierungen werden schonungslos aufgeklärt und zeitnah sanktioniert.“ Diese Aussagen trafen auf scharfe Kritik bei den Grünen, der FDP, der Linkspartei und der SPD. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD): „Es wäre wichtig, dass wir die Studie durchführen können. Deswegen werde ich mit dem Kollegen nochmal darüber sprechen, ob so eine Studie auch im Interesse all derjenigen wäre, die auf festem Boden unser Grundordnung stehen.“ Eine Onlinepetition an den Deutschen Bundestag mit dem Ziel der Durchführung der Studie wurde von 76.393 Menschen unterzeichnet und hat damit das Quorum geknackt, d. h., die Initiator*innen der Petitionen müssen vor dem Petitions¬ausschuss öffentlich angehört werden. Der Petitionsausschuss kann eine Empfehlung verabschieden, die dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt wird.
Aktuelle Klagen
  • Das BUG unterstützt und führt als Rechtsbeistand seit 2015 die verwaltungs-gerichtliche Klage einer ehemaligen Rechtsreferendarin in Bayern. Die Klägerin trägt als Ausdruck ihres muslimischen Glaubens ein Kopftuch. Die Ausbildungsbehörde verbot der Klägerin jegliche hoheitliche Tätigkeit mit Außenwirkung, solange sie nicht ihr Kopftuch ablege. Die Klägerin durfte daher – anders als ihre Mitreferendar*innen – nicht auf der Richter*innenbank Platz nehmen und keine Beweisaufnahmen leiten etc. Zur Begründung führt der Freistaat Bayern die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates an; zeitgleich sind die Gerichtssäle des Freistaats mehrheitlich mit Kreuzen oder gar Kruzifixen geschmückt. Auf einen Erlass des Bayerischen Ministerpräsidenten vor den letzten Landtagswahlen hin wurden sämtliche Behörden Bayerns zudem verpflichtet, gut sichtbar ein Kreuz im Eingangsbereich aufzuhängen. Die Klägerin macht mit Hilfe des BUG eine religiöse Diskriminierung geltend, da unterschiedslos entweder alle religiösen Symbole im Gerichtssaal zugelassen oder verbannt werden müssten. Außerdem fehlte es zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage für ein solches Verbot. Die Klage wird am 12.11.2020 letztinstanzlich vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mündlich verhandelt.
  • Das BUG unterstützt ferner die Klage eines Schwarzen Deutschen im Saarland, der einer verdachtsunabhängigen Personenkontrolle durch die Bundespolizei unterzogen wurde, als er an einem Samstagabend in seinem Vorgarten eine Zigarette rauchte. Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes wollte entgegen dem Vorbringen des Klägers kein verbotenes Racial Profiling der Bundespolizei erkennen und wies die Klage ab. Aufgrund der erfolgreichen Revisionszulassung des Klägers hob das Bundesverwaltungsgericht das Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das OVG des Saarlandes zurück. Dabei wird es insbesondere um die Frage gehen, ob für den Wohnort des Klägers ein hinreichend konkretes Lagebild vorlag, das die Kontrolle rechtfertigen kann.
  • Das BUG arbeitet weiterhin, zusammen mit einer AGG-Fachanwältin und Aktivist*innen aus der Trans*Community, an der Geltendmachung von Diskriminierungsfällen bei Online-Einkäufen. Hierzu wurden mehrere Klagen und eine Beschwerde eingereicht. Zwei Klagen zielen darauf ab, die diskriminierende Kommunikation der Anbieter*innen von Waren im Internet zu unterbinden. Die Unternehmen werden aufgefordert, den Kauf- und Bestellvorgang um die Möglichkeit der Angabe der dritten Option des Geschlechtereintrags, welche seit dem 01.01.2019 gesetzlich vorgeschrieben ist, zu erweitern. In einem Fall von diskriminierender Ansprache konnte eine Diskriminierung geltend gemacht und ein Vergleich erzielt werden. Das Unternehmen hat sich verpflichtet, in einem überschaubaren Zeitrahmen seine Website zu ergänzen. Die Beschwerde, sowie eine der Klagen, richten sich gegen die Außerachtlassung der wiederholten Bitte um eine geschlechterneutrale Kommunikation. Ein Rechtsstreit diesbezüglich gegen die Deutsche Bahn wird am 24.09.2020 am Landgericht Frankfurt am Main verhandelt. 
Aktivitäten

In den letzten Monaten war das BUG in vielen verschiedenen Bereichen aktiv.

  • Ein Dossier zu Diskriminierungserfahrungen von Trans*Personen in Deutschland wird erarbeitet.
  • Das Konzeptpapier zur innerbetrieblichen Beschwerdestelle nach § 13 AGG wurde überarbeitet und ist ebenfalls auf der Website zugänglich.
  • Außerdem ist das Dossier zur Lebenssituation und Diskriminierungserfahrung von Sinti & Roma in Deutschland in Arbeit.
  • Weiterhin wurde ein Dossier über positive Maßnahmen, die eine Methode zur Bearbeitung von Ungleichbehandlung darstellen, auf Deutsch und Englisch fertiggestellt und wird in Kürze Online verfügbar sein. Ein Teil zu „Affirmative Action“ in den USA wird folgen.
  • Das BUG schlägt in einem nun veröffentlichten Papier konkrete Schritte vor, wie bei verdachtsunabhängigen Personenkontrollen bezüglich der illegalen Einreise in Zügen diskriminierungsfrei vorgegangen werden kann, um 'racial profiling' zu vermeiden. Das Papier finden Sie hier.
Internes
  • Das BUG wurde wieder von vielen Praktikanten*innen unterstützt, denen wir ganz herzlich danken möchten: Eda Gül Kulak hat Hintergrundrecherchen zu Artikel 5 UN-Behinderten-rechtskonvention (BRK) vorgenommen sowie Vorbereitungen für den BRK-Schattenbericht 2021 getroffen. Eva Chauvand hat das Dossier über ‚Angemessene Vorkehrungen‘ über-arbeitet. Hanna-Sophie Jaekel erstellte ein Kapitel zum BRK-Schattenbericht zu Artikel 5 UN-Behindertenrechtskonvention und überarbeitete den Strategischen Plan für 2021-2023. Paulin Alima entwickelte einen Schattenbericht zu Racial Profiling für den UN-Ausschuss zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung (CERD). Uyanga Ignayu Delgermaa übersetzte das Dossier zur AGG-Novellierung sowie das zu Positiven Maßnahmen ins Englische. Außerdem verfasste sie eine Beschwerde gegen die Landespolizei Berlin und überarbeitete und übersetzte das Themenpapier zu Grundsätzen der Erhebung von Gleichheits- und Partizipationsdaten im Lichte der Datenschutz-Grundverordnung ins Englische. Nicole Alič überarbeitete das Konzeptpapier zur innerbetrieblichen Beschwerdestelle und recherchierte zu verdachtsunabhängigen Personenkontrollen. Rebecka Pohland überarbeitete das Dossier zur aktuellen Situation von Trans*personen in Deutschland und arbeitet am Dossier zur Lebenssituation und Diskriminierungserfahrung von Sinti & Roma in Deutschland. Jana Wronski hat den vorliegenden Newsletter erstellt und überarbeitet das Dossier zu „Affirmative Action“ in den USA. Julie Hano arbeitet am Dossier zur Klageunterstützung von Verbänden.


Kontakt

Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V.
Greifswalder Str. 4 - Haus für Demokratie und Menschenrechte - 10405 Berlin
Telefon: 0049 (0) 30 688 366 18
Fax: 0049 (0) 30 311 603 73
Email: info@bug-ev.org
Website: www.bug-ev.org

Das BUG ist ein gemeinnütziger Verein, der Menschen, die Diskriminierungen erlebt und sich dazu entschieden haben dagegen zu klagen, unterstützt. Dabei liegt der Fokus auf strategischen Klagen, die nicht nur einzelnen Personen, sondern einer ganzen Gruppe zugute kommen. Nach § 23 AGG erfüllt das BUG die Vorraussetzungen als Beistand vor Gericht aufzutreten. Das BUG ist Mitglied im Paritätischen und im Europäischen Netzwerk gegen Rassismus (ENAR)

Würden Sie diesen Newsletter gerne weiterhin erhalten? Bitte schreiben Sie eine E-Mail an vera.egenberger@bug-ev.org.